„Die subtile Kunst des Darauf Scheissens“ von Mark Manson ist 2016 bei Harpers erschienen; jüngst wurde die 17. Auflage auf den deutschen Markt gebracht. Es ist ein mit 12 Millionen Exemplaren sehr erfolgreiches Werk, das ich mir vor kurzem für 17 € gekauft und zügig durchgelesen habe.

Das Orange des Covers - meine Lieblingsfarbe - ja, meine Jugend fand in den 1970ern statt – hüpfte mir in der Buchhandlung aus Hunderten von Einbänden heraus ins Auge und so las ich den Titel, der mir sofort gefiel. Einen Tag zuvor hatte ich erfahren, dass mein Team zum Jahresende aufgelöst würde und auf diese Nachricht richtig zu scheissen, war mir ein innerstes Bedürfnis an diesem Samstag.

Gute Laune übers Wochenende

Zugegeben. Es hat mir Spaß gemacht, dieses Buch übers Wochenende zu lesen. Eingängig geschrieben, mit Witz und guter Laune. Nach zwei Tagen war ich durch damit. Hatte an etlichen Stellen gelacht und mich ziemlich amüsiert über die freche, offene Sprache.

Eines fand ich irritierend. Schon nach einem Kapitel oder bereits nach einer Seite konnte ich nicht mehr erinnern, was ich denn da gelesen hatte. Das gefiel mir nicht. Deshalb wollte ich es genauer durcharbeiten und meine Leseerfahrungen mit anderen teilen.

Mark Manson – ein erfolgreicher Internet-Unternehmer

Als Mark Manson dieses Buch 2016 veröffentlichte war er 32 Jahre alt. 8 Jahre zuvor hatte er einen Dating Blog gestartet und 2010 einen Blog über Post Maskulinität. Jetzt sind seine Blog-Aktivitäten in der MarkManson.net zusammengefasst; mit nach eigenen Angaben 500.000 Abonennten und 2 Mio. Monthly Active Usern.

Mark Manson ist also ein erfolgreicher Internet-Unternehmer, der seinen Absatz-Markt noch um das analoge Buch-Segment zu erweitern vermochte. Soweit, so gut.

32 Jahre war Mark Manson alt zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Ich, der Lesende, bin jetzt 64. Ein weiter Abstand, der einen fundamentalen Unterschied in der Lebenssituation und der Interessenslage markiert. Dieser Abstand machte es mir zunächst schwer, die Botschaft wahrzunehmen.

Persönliche Erfahrungen und psychologisches Wissen

Mark Manson verarbeitet in dem Buch viele persönlichen Erfahrungen und schreibt über die Herausforderungen, die oft auf die zukommen, die das Ende der langen Adoleszenz-Phase im Westen erreichen und in den Erwachsenen-Status hinüber wechseln.

Im Buch steckt auch einiges an psychologischem Wissen, doch das ist im Grunde nicht das Entscheidende und nicht das, was dieses Buch ausmacht. Es verarbeitet vielmehr Übergangserfahrungen, mit denen junge Erwachsene heute konfrontiert sind.

„Die Welt ist beschissen und das ist ok, weil es immer schon so war und immer so sein wird“, schreibt Mark bereits auf Seite 13. Deshalb solle man erst gar nicht versuchen, reicher zu werden oder glücklicher, bedeutender oder zufriedener.

Er führt ein „Gesetz der Umkehrung“ an: Je stärker man versuche, sich immer besser zu fühlen, desto unzufriedener werde man. Deshalb sei es sinnvoller, Schmerz und Leiden auf sich zu nehmen, denn alles Lohnenswerte im Leben werde durch die Bewältigung der mit ihnen verbundenen negativen Erfahrungen errungen.

Glücksgefühle sind der Lohn für Anstrengungen und überstandene Wachstumsschmerzen

„Glück will erkämpft werden. Es erwächst aus Problemen. Glück sprießt nicht wie Gänseblümchen aus der Erde oder erscheint wie ein Regenbogen. Echte, wahre und lebenslange Erfüllung und Bedeutung müssen durch Entscheidungen und ausgestandene Kämpfe verdient werden. Ob du nun unter Ängsten, Einsamkeit, Zwangsstörungen oder einem dämlichen Chef, der dir die Hälfte deiner Tage ruiniert leidest – die Lösung liegt im Akzeptieren dieser negativen Erfahrungen und nicht im Vermeiden oder in der Erlösung“ von ihnen. (S.44)

Dies scheint mir die Haupt-Botschaft des Buches zu sein, das mit Charles Bukowski beginnt und an der Abbruchkante am Kap der Guten Hoffnung endet.

Es breitet in neun prägnant betitelten Kapiteln auf 224 Seiten viele Geschichten aus dem Leben des Autors aus. Siddharta Gautama, der Buddha, kommen ebenso darin vor wie der bemitleidenswerte Angeber Jimmy oder der berühmte japanische Unterleutnant Hiero Onada; William James, der berühmteste Psychologe der Vereinigten Staaten und auch Erin, die Selbst-Optimierungs-Junkie. Jede Figur führt zu sehr entschiedenen Statements des Autors über die Liebe, die Arbeit und das Leben überhaupt.

Man kann diese Statements für bare Münze nehmen, was ich nicht empfehlen würde. Man kann sie an den eigenen Erfahrungen prüfen, sie dann entweder für sich übernehmen, sie anpassen oder verwerfen, was sicher der bessere Weg wäre. Man kann das Buch auch als Dessert am Wochenende lesen und sich am puren Genuss erfreuen. Das ginge natürlich auch.

Gewissheit ist die Erzfeindin von Wachstum“ (S.130)

Alles ist nur vorläufig und im Grunde ungewiss. Das ist die zweite wichtige Botschaft von Mark Manson. Die Einzelnen und die Gesellschaften, in denen sie leben, wissen kaum etwas über die Welt. Deshalb irrten sich alle regelmäßig über das, was sei, und das, was geboten wäre, zu tun.

Alles richtig zu machen im Sinne der Selbstoptimierung und des Selbstbewusstseins-Paradigmas, das seit 1960er herrsche, bedeute nach Lage der Dinge nicht, auch das Richtige zu tun.

Die Notwendigkeit, zu zweifeln, sei deshalb fundamental. Das Gebot des Zweifelns sei allumfassend. Zweifeln an sich, an den eigenen Überzeugungen, den eigenen Emotionen, den eigenen Werten und denen der Peer-Group.

Die Dinge ändern sich und das, was eben noch gut und richtig war, kann morgen schon falsch und hinderlich geworden sein.

Für Mark Manson ist persönliches Wachstum eine eher wissenschaftliche Angelegenheit:

- Wertvorstellungen, Überzeugungen und Annahmen, sind die Hypothesen.

- Die eigenen Handlungen sind das Experiment.

- Die hervorgebrachten Emotionen und Ergebnisse die Daten, die das Experiment erzeugt.

Das Elend des Lust-Prinzips

Das unaufhörliche Streben nach Vergnügungen und materiellem Erfolg, der unbedingte Wille, immer Recht zu haben und einzigartig zu sein, führe zu innerer Leere, zu emotionaler Instabilität, und zu Ängstlichkeit.

Wer keine Verantwortung für sich und sein Leben übernehme, sondern die Schuld für sein Scheitern oder Unvermögen auf andere schiebe, entlaste sich damit kurzfristig, zahle langfristig allerdings einen hohen Preis: Gefühle wachsender Hilflosigkeit gepaart mit intensiv erlebter Depressivität.

Was ich gut finde an dem Buch

Verantwortung erzeugt Macht. Dieses Statement finde ich überzeugend. Wer Verantwortung für sich und sein Leben übernimmt, ermächtigt sich selbst und orientiert sich und sein Handeln an dem, was wichtig ist. Das, was wichtig ist, kann sich ändern über die Lebens-Zeit hinweg und tut es auch. Das entspricht meiner eigenen Lebenserfahrung.

Freiheit ist ein wichtiger Wert im Leben, aber auch dieser Wert ändert sich. Aus der Freiheit von etwas – sehr wichtig in der Jugend, wird später die Freiheit für etwas.

Es freut mich, dieses Buch von Mark Manson in der von mir bevorzugten Buchhandlung gesehen zu haben. „Ein cooler Titel, oder?“ hatte ich zu der neben mir stehenden Mitkundin gesagt und es ihr hingehalten. Sie las ihn, grinste, nickte und gab einem anderen Buch den Vorzug. Jedem das Seine, oder?